Im Juni 2025 wird im Haupt- und Finanzausschuss über den Breitbandausbau in Lintel und anderen Stadtteilen Rheda-Wiedenbrücks abgestimmt. Die Stadtverwaltung plädiert angesichts der noch vergleichsweise günstigen Förderkonditionen für eine Umsetzung. Aufgrund der angespannten Haushaltslage stößt das Vorhaben jedoch nicht überall auf Zustimmung. Über die Situation informiert der Dorfverein „Lintel – wir für hier e. V“ am 10. Juni um 19 Uhr im Feuerwehrhaus.
Mitten in der Stadt, in den Emsauen in der Nähe der Spielerei, fallen zwei weiße Flecken ins Auge. Dass es so zentral in Rheda-Wiedenbrück Orte gibt, deren Internetgeschwindigkeit unter 30 Mbit/s liegt, mag verwundern. Spätestens der zweite Blick auf die Karte der förderfähigen Adressen zum Breitbandausbau offenbart viele weitere weiße und graue Punkte – 497, um genau zu sein. Markiert werden Adressen, deren Erschließung zu einem vollständigen Breitbandausbau mit Anschluss aller Haushalte noch fehlt. Sah im Oktober letzten Jahres mit positiver Ratsentscheidung zur Förderung des Breitbandausbaus in einer Eilentscheidung alles danach aus, als sei der Weg zum digitalen Anschluss der Haushalte und gewerblichen Adressen geebnet, steht dieser nun zur Disposition.
Über 500 Bürger*innen in Lintel direkt betroffen
Allein 530 und damit mehr als ein Drittel der Einwohner*innen Lintels sind direkt betroffen. Für sie geht es nicht nur gegenwärtig um die Möglichkeit, vollumfänglich im Homeoffice zu arbeiten, sondern perspektivisch um digitale und damit auch gesellschaftliche Teilhabe. Unter anderem in der Waldsiedlung müssten Neubürger*innen und Alteingesessene auf schnelles Internet aus der Glasfaserleitung verzichten.

Stadt müsste nur 20% der anfallenden Kosten tragen
Im Mai 2025 informierte die Wirtschaftsförderung der Stadt Rheda-Wiedenbrück die Mitglieder des Stadtrates über den aktuellen Stand des Vorhabens. Demnach betragen die Gesamtkosten nach Berechnung des beauftragten Strategieberatungsbüros MICUS rund 9 Millionen Euro. Die Stadt müsste davon lediglich 20%, also knapp 1,8 Millionen Euro übernehmen. Die übrigen Kosten würden Bund (50%) und Land NRW (30%) tragen.
Diese günstigen Konditionen hatte sich die Stadt mit der rechtzeitigen Antragstellung und Ratsentscheidung im Jahr 2024 gesichert. Dennoch steht mit der Sitzung am 23. Juni ein möglicher Rückzug im Raum – verbunden mit der Frage, ob sich die Stadt die verbleibenden Kostenanteile leisten kann. Die Konsequenzen werden im Informationsschreiben klar aufgezeigt: Demnach würde ein Aussteigen der Stadt „aus dem Förderprojekt nach jetzigem Kenntnisstand bedeuten, dass die ermittelten förderfähigen Adressen ohne marktgetriebene Ausbauperspektive und ohne langfristige zukunftsfähige Breitbandanbindung verbleiben.“ So ist die Schlussfolgerung legitim, dass es einen (so günstigen) Ausbau in Lintel und an den anderen weißen und grauen Flecken in Zukunft nicht geben wird.

Breitbandausbau technisch alternativlos
Das Ziel der flächendeckenden Versorgung mit schnellem Internet, auch in den Außenbereichen, ist überregional und auf allen politischen Ebenen Konsens. Kritik an den Förderkosten für vergleichsweise wenige Haushalte richtet sich daher weniger gegen das Ziel selbst, sondern gegen die Prioritätensetzung in Zeiten knapper Kassen. Bereits im letzten Jahr wurde daher ein unabhängiges Gutachten beim Strategieberatungsbüro MICUS in Auftrag gegeben, um alternative Technologien prüfen zu lassen. Das Ergebnis fiel deutlich aus: Für die betroffenen Adressen sei ausschließlich ein Glasfaseranschluss langfristig geeignet und förderfähig.
„Dem einzigen Nachteil der Glasfasertechnologie (hohe Kosten in der Erschließung) steht aber zugleich gegenüber, dass nur diese Technologie das Kriterium der Förderung […] erfüllt und somit die Kosten zu 80% […] gefördert werden. Damit ergibt sich […] eine einmalige Möglichkeit, diese Zukunftstechnologie für Unternehmen und Bürger in Gebieten verfügbar zu machen, in denen der Markt diese aufgrund einer Unwirtschaftlichkeit (ohne Förderzuschuss) nicht umsetzen würde.“
MICUS Strategieberatung GmbH
Nicht-Ausbau hätte weitreichende Folgen
Es ist und bleibt also eine Frage des Preises – aber nicht nur des eventuellen Ausbaus, sondern genauso des Nicht-Ausbaus. Letzterer würde sich für die betroffenen Bürger*innen und Unternehmen auf weit mehr auswirken als etwa die Nutzung von Unterhaltungsmedien oder das Arbeiten von zuhause. Digitale Bildungsangebote, Kommunikation und Verwaltung, Smart-Home-Anwendungen, Immobilienwerte und Standortattraktivität hängen schon heute von der Verfügbarkeit einer schnellen und zuverlässigen Internetverbindung ab. Welche Alltagsbereiche in Zukunft noch stärker betroffen sein werden – etwa durch Telemedizin, Fernwartung, E-Learning oder automatisierte Landwirtschaft – lässt sich nur erahnen. Klar ist aber: Eine Nichtanbindung hätte langfristige Folgen für die Entwicklung ganzer Ortsteile.

Quellen:
- Ratsinformationssystem: Rat der Stadt Rheda-Wiedenbrück, 27. Sitzung (1.10.2024), Vorlage V201/2024, Link.
- Ratsinformationssystem: Haupt- und Finanzausschuss, 18. Sitzung (17.03.2025); siehe öffentliche Niederschrift und TOP 10, Link.
- MICUS Strategieberatung GmbH: Technologievergleich zur Erschließung unterversorgter (<1GBit/s) Adressen im Gebiet der Stadt Rheda-Wiedenbrück, Link.
- Der Beauftragte der Bundesregierung für Informationstechnik: Digitale Gesellschaft und Teilhabe, Link.